Wali hat geschrieben: ↑26. Feb 2019, 22:16
ullr hat geschrieben: ↑26. Feb 2019, 18:32
Ach ja...
Ich hatte geschrieben
Compoundprobleme (Peepsight) tangieren mich nur periphär...
Weil Kunststoffe unter Belastung immer "kriechen". Deshalb ist das Problem des "Drehens" des Peepsights durch Änderung des Sehnenmaterials nicht endgültig lösbar. Und unlösbaren Problemen sollte man aus dem Weg gehen...
Das Kunststoffe immer kriechen, wurde mir auch mal so beigebracht. Wird sich wohl auch nicht ändern.
Jedoch hat sich seit dem schon einiges getan. Takelage an Segelbooten baut man mittlerweile nicht mehr aus Stahlseil, weil die Garne bezüglich kriechen und Zugfestigkeit mit Stahl gut mithalten können.
Drehende Peepsights sind auch kein Thema mehr, wenn man bei einem guten Sehnenbauer gekauft hat und keinen Blödsinn beim Montieren der Sehne macht. Die Sehne ist so fett ausgelegt, das sie nicht messbar kriecht. Vor Jahren waren Compoundsehnen mit Vectrananteil wohl die erste Wahl um dem Creep vorzubeugen. Ich denke das kommt aber langsam aus der Mode. Das pure Dyneemazeug wird immer hochwertiger.
Es wird die Recurver zwar nicht jucken, geschweige denn sie bemerken es auch nicht, aber steckt mal eine Nadel in die Sehne und spannt dann mal den Bogen. Fängt die Nadel beim Auszug an zu rotieren, habt ihr eine schlecht gebaute Sehne.
Für Compound ist das Ausschuß, gibt nichts ätzenderes wie ein drehendes Peep oder so ein Gummiband am Peep um den Laden gerade zu ziehen.
Wali,
den allgemeinen Begriff Kunststoff zu diesem Thema zu verwenden, ist irreführend; wir reden hier über vollsynhetisches Garne, genau genommen um vom Polymer aus betrachtet um drei unterschiedliche Garne HMPE bzw. UWHMPE, Polyester (früher Dralon) und Vectran. Diese Garne werden in zwei deutlich unterschiedlichen industriellen Spinnverfahren produziert. Vollsysthetische Garne werden hinsichtlich ihrer Einsatzgebiete und Leistungs-Merkmale vom Polymer und vom Spinnverfahren her "konstruiert". Die hier in einem anderen post gemachte Aussage, dass diese Garne alle creep haben, ist ebenso nicht richtig.
Um es näher und verständlicher zu formulieren, muß man sich die erwähnten Spinnverfahren ansehen. Garne, die man aufgrund eines bestimmten creeps einsetzen will, werden im sogenanten Gelspinnverfahren hergestellt. Das bedeutet, dass das jeweilige Polymer zu einem Brei/Flüssigkeit erhitzt wird und durch einen Spinnkopf gepreßt wird. Nach dem Austritt der Filamente durchlaufen sie eine Kühlzone werden fest und sind sofort spulbar. Zu den nach diesem Produktionsweg hersgestellten Garnen gehören u. a. die HMPE / UWHMPE Garne sowie die unter dem früheren Label Dralon bekanntgewordenen Polyester- Garne. Alle diese Garne haben Creep und sind zudem temperaturanfällig. Davon sind im erwähnten Beispiel Polyester stärker betroffen als HMPE/UWHMPE, bei denen die Creep- und Temperaturanfälligkeit in den verschiedenen Entwicklungs- und Produktstufen durch Änderungen der Molekularstrukturen immer weiter verbessert wurden.
Vectran gehört zur Familie der Aramidfasern, die für einen ganz anderen Verwendungszweck entwickelt wurden. Da sie so gut wie kein Creep aufweisen und temperaturbeständig sein sollten, wurde hier das sogenannte Naßspinnverfahren angewandt. Hierbei wird das Polymer in einem Säurebad verflüssigt, durch einen Spinnkopf gepreßt wobei die Filamente nach dem Austritt aus dem Spinnkopf in einem Wasserbad sofort aushärten. Aushärtem im wahrsten Sinne das Wortes, das Garn "knochenhart". Verarbeitet wird dieses Garn für Produkte z. B. Seile/Taue, die absolut kein creep aufweisen dürfen. Ebenso werden Gewebe hergestellt, aus denen schusssichere Westen, Sicherheitshelme, Feuerwehrschutzkleidung etc. entstehen.
Nun hatten vor einigen Jahren ein paar "schlaue" Bogenschützen die Idee, dieses Aramid Garn (Kevlar von DuPont) als Bogensehnen zu verwenden. Sie verkannten aber, dass die Arbeitsweise einer Bogensehne absolut nicht den Leistungsmerkmalen eines Aramid-Garnes entsprach: Fazit, nach wenigen 100 Schüssen brach die Kevlarsehne, und zwar nach Lösen das Schusses und unmittelbar mit dem Dämpfen der Wurfarme.
Das letzlich Vectran, ein Garn aus der Aramid-Familie, Einzug in das Sehnenmaterial für den Bogensport hielt, ist der Tatsache zu verdanken, dass die seinerzeit in Amerika entstandenen Copoundbögen mit den damaligen Spectra Garn "untermotorisiert" waren. Die weitere Entwicklung und Vermarktung der Copoundbögen ist bekannt.
Inzwischen hat sich in der Bogenwelt eine Anwender-Erfahrung entwickelt, die sich von den Verwendungsempfehlungen der Bogensehnengarnhersteller z. T.weit entfernt hat.
Wenn also hier die Leistungsfähigkeit von Sehnengarnen diskutiert wird, sollte man unbedingt auch die unterschiedlichen Spinnprozesse beachten. Leider hat die Bogensportwelt nie Anforderungen oder Pflichtenhefte an die Chemiefaser-Industrie gestellt bzw. formuliert, wie ein Garn für Bogensehnen auszusehen hat und welche Anforderungen es erfüllen muss. Ich denke, das wird auch in absehbarer Zeit nicht erfolgen.
Dazu noch eine Erfahrung aus einer mehrwöchigen Diskussion von mir mit Sid Border zum Thema Bogensehnen. Er hält das bis jetzt vorhandene Garn für "over built" mit dem Hinweis, das alle jetzigen Garne auf Sicht die Bögen zerstören würden.
Zum Schluß noch eine Bemerkung zu dem Begriff Creep. Zu diesem gibt es oftmals ein unterschiedliches Verständnis was auch zu Mißverständnissen führt. Wenn erforderlich, müßte man hier die DSM - Definition noch mal ausführlich darstellen.
Gruß